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Cereal killer

  • Schmiedewurm
  • 5. Apr. 2019
  • 2 Min. Lesezeit

Obwohl ich zwei Stockwerke hochlaufen kann, ohne eine Pause einzulegen, und immer noch genug Atem habe, um den Architekten zu verfluchen, der vergessen hat, einen Lift einzubauen, habe ich mir Gedanken zu gesunder Ernährung gemacht. Ungleich den Bio Quinoa, Dora-Yaki-Pfannkuchen mit roter Bohnenpaste und Buchweizen-Granola essenden Superfood-Enthusiasten, die Bäume umarmen und einem weismachen wollen, dass sie gerne und viel essen, während sie sich mit einem übertriebenen Lächeln Salatblätter ohne Dressing ins Gesicht drücken, wollte ich nichts versuchen, das ich nicht aussprechen kann.


Heraus kam dabei der Haferbrei. So im Nachhinein hätte ich mir meinen Vorsatz neu überdenken sollen oder mir einen Nachhilfelehrer holen, der mir zeigt, wie Chia-Samen, Goji- und Açai-Beeren korrekt zu betonen sind. Es half nichts, der simple Insel-Frühstücksklassiker «Porridge» musste her. (Verflucht seien meine Englischkenntnisse.)

Tag 1: Haferflocken mit warmer Milch. Die Trivialliteratur unter den Frühstücksflocken. Eine Symbiose aus besten Absichten und einem guten Gefühl, Körper und Geist etwas Gesundes zuzuführen. Eine obszöne Verschleierung, die lediglich über den geschmacklosen Inhalt hinwegtäuschen soll.

Tag 2: Haferflocken, Banane und warme Milch. Man merke: Eine zerdrückte Banane hilft nicht, eine bereits unansehnliche Textur zu verbessern. Das Auge, das sich für die wichtigste Mahlzeit des Tages extra herausgeputzt, den Sonntagslidstrich aufgetragen und die Wimpern getuscht hat, sitzt voller Vorfreude und einem Löffel ausgestattet mit mir am Tisch und möchte mitessen. Ich sollte es zudrücken. Die Hände darumlegen und warten bis es platzt. So wie meine Hoffnung, dass es noch ein gelungener Start in den Tag werden kann. Denn das Frühstück sieht aus, als ob es mindestens einmal durch alle vier Mägen einer Kuh gewandert ist. Das macht auch die Kuh nicht glücklich, da ich ihr wertvolles Eutersekret verschwendet habe.

Tag 3: Haferflocken und warme Sojamilch mit Schokoladengeschmack. Da ich den köstlichen Nutztieren nicht mehr in die Augen schauen konnte, als ich sie medium rare auf meinem Teller verschnitt, wechselte ich zu Sojamilch. Eigentlich handelt es sich um einen Soja-Drink, da es kein gemolkenes Lebensmittel ist. Obwohl ich mir gut vorstellen könnte, wie ein Soja-Bauer morgens auf seinem Melkschemel vor dieser behaarten Pflanze sitzt, sich überlegt, ob er sie zuerst noch rasieren soll, sich dann aus ästhetischen Gründen dagegen entscheidet, die Hülsenfrucht packt, mit Daumen und Zeigefinger einen Ring bildet und die übrigen Finger nacheinander zu einer Faust schliesst und melkt, was das Zeug hält. Die Schokolade tat mit der bräunlichen Verfärbung der ohnehin schon schleimigen Konsistenz sein Übriges.


Auch wenn Porridge eine leicht verdauliche Kost sein mag, hilft sie dem Inselvolk nicht, besser auszuscheiden.

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