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Der Schimmelflüsterer

  • Schmiedewurm
  • 28. Okt. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Nov. 2020

Draussen wird es kälter und drinnen immer wärmer, was in alten Gebäuden unweigerlich zum Besuch von Schimmelpilz führt. Dieser ungebetene Gast, der peinliche Onkel, den jeder in der Familie hat, den niemand einlädt und der trotzdem auftaucht, um sich dann einfach häuslich einzunisten, da er nicht weiss, wann es Zeit ist zu gehen.


Diesen Oheim der Fensterrahmen habe ich entdeckt. Wütend beschimpfe ich dieses einzellige Lebewesen. Dabei stelle ich fest, dass ich schon für und mit einigen Pilzen gearbeitet habe - inkl. der giftigen Fliegenpilze. Wie Schmeissfliegen umkreisten sie sich gegenseitig und warteten auf das Aufblitzen einer Rosette, um ihrer Vorliebe für geruchsintensive organische Stoffe nachkommen zu können und sie somit ihr Mundwerkzeug, den Leckrüssel, auch zielgerichtet einsetzen konnten.


Dunkel thront er am hölzernen Tor zu Licht und Luft. Befleckt das einstige Weiss. Er ragt heraus, möchte den Schauplatz beherrschen. «Dich hole ich mir als Nächstes» hallt es mit donnernder Stimme durchs Zimmer. Um seine Herrschaft endgültig zu festigen, versucht er, mich zu knechten. Doch ich kann nicht zulassen, dass er sein Territorium vergrössert und dadurch das Machtgefüge in diesem Haushalt unterwandert. Ich muss dieser Schreckensregentschaft ein Ende setzen.


Im Sinne von viel hilft viel, mische ich diverse Putzmittel zusammen und lasse die Tinktur einwirken. Als ich zurück kam, um nachzuschauen, ob das Gift Wirkung zeigte, sass ein pinocchioeskes Etwas auf dem Boden. Mit den vorherrschenden Rahmenbedingungen hätte ich wohl besser nicht das billige Zeug nehmen sollen. Der Quasimodo unter den Fenstereinfassungen war geboren. Die groteske Gestalt versucht mit hölzerner Sprache ein verzweigtes Netz aus Schimmelsporen und Lügen zu spannen. Doch ich lasse mich zu keiner Marionette machen.


Mit einer Tasse heisser Schokolade in der Hand, sitze ich vor dem brennenden Kamin und lausche den knackenden und knarrenden Schreien, während diese mein Herz und Heim erwärmen.

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