Heidi 2.0
- Schmiedewurm
- 9. Aug. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Als Stadtkind kenne ich die ominösen Geröllhaufen mit den weissen Spitzen nur aus Geschichten, in denen etwa ein kleines Mädchen nach ihrem griesgrämigen Grossvater ruft und mit dem sodomitisch-anmutenden Geissenflüsterer Zeit verbringt, wenn dieser nicht gerade aus Eifersucht mutwillig Rollstühle zerstört, was die Besitzerin dazu veranlasst, das Gehen zu lernen. Ich wollte diesen mysteriösen Ort der spontanen Wunderheilung einmal von Nahem sehen. Ich wollte in die Berge.
Ausgerüstet mit meinen neuen Trekking-Stöcken, machte ich mich daran, die Gegend zu erkundigen. Als ich nach etwa einer Stunde immer noch die Stille geniessen konnte, realisierte ich, dass meine Stöcke nicht nur schockabsorbierend waren, sondern auch mein sonstiges Gejammer über die minimalste Steigung, auch wenn es sich dabei nur um einen Randstein handelte, einfach in sich aufgenommen haben. Ich war begeistert.
Durch meinen fehlenden Orientierungssinn wurde aus dem geplanten Spaziergang eine ausgedehnte Wanderung. Was eine bewanderte Person wie mich jedoch nicht aus dem Konzept bringen konnte – und das nicht nur, weil ich keines hatte.
Grazil wie eine lahmende Bergziege schleppte ich mich durchs Terrain. Ich musste aufpassen, dass mich nicht irgendein Geissenpeter sieht, hinter einem Stein hervorgesprungen kommt, und mich aus lauter Tierliebe von meinen Qualen erlöst. Wobei er dabei zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen würde, solange mein Körper noch warm wäre.
Nicht nur meine Stöcke kamen nach 4 Stunden an ihre Grenzen: Ich konnte wieder jammern, wenn ich nicht gerade nach Atem rang. Meine Motivation und die Lungen haben sich einen spektakulären Kampf geliefert. In Spandex-Bodys gehüllt, umklammerten sie sich und versuchten, sich gegenseitig niederzuringen. Die Selbstüberschätzung war Zuschauer und feuerte sie an, während die Ortskenntnis verwirrt im Kreis lief.
Doch dann, wie durch ein Wunder, fand ich den Weg zurück zum Ausgangspunkt. OK, vielleicht haben mir auch meine Nachbarn geholfen, indem sie mich zur Terrassentür brachten, da sie in Ruhe im Garten grillieren wollten und keinen Bock mehr auf mein Meckern hatten.
Ich würde sagen, noch zwei, drei solcher Testläufe und ich bin reif für die Berge.
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