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Perlentaucher

  • Schmiedewurm
  • 28. Jan. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Wellen schlagen, als ich luftschnappend wiederauftauche. Zufrieden mit meiner Ausbeute schwimme ich zu meinem Segelschiff. An Deck verstaue ich meine soeben gesammelten Perlen sicher in meiner Seekiste. Da ich nichts von austauschbaren Zuchtperlen halte, werfe ich mich bei jedem neuen Auftrag in die Fluten, um stets ein einzigartiges Vokabel-Kleinod zutage bringen zu können.


Denn als Grammatik-Freibeuter schwinge ich meinen federnen Säbel und mache der schnöden Idee den Garaus, um einen fetten morphologischen Fang zu machen. Ich kapere, raube und plündere, was mir ins wortreiche Kielwasser kommt.


Meine Gedanken klettern den Mast empor. Das windgepeitschte Gesicht in die Höhe reckend (ich sollte die Klimaanlage etwas runterschalten), kann ich die salzige See förmlich riechen, auf der meine Worte den Leser sirenengleich in Bann ziehen werden. Der einzige Platz auf meinem Schiff für die Landratte namens 0815-Text ist die Planke, wo sie ihr nasses Grab empfängt.


Doch dann zerschellt die Freude über die Wogen des Einfallsreichtums an den Felsen der Ignoranz. Die anfänglichen mit kräftigen Stimmen gesungenen Lobeshymnen auf mein etwas anderes Spiel mit der Sprache verstummen. An ihrer Stelle tritt ein Chor aus der immer gleichen monotonen Melodie der geistigen Kastration. Es heisst, ich soll einen neuen Kurs einschlagen.


Nun wird mein flinkes Schiff zu einer schwermütigen Kaffeefahrt für den trägen Verstand, die auf einer faden Buchstabensuppe vor sich her dümpelt. Ab und an stösst ein Wortspiel an den Kiel, was dann den Passagieren wiederum aufstösst.


Auf der Suche nach einem geisttötenden Hafen, steuere ich meinen Ideen-Kahn Richtung kreativen Untergang. Ich stehe am Bug und werfe meine gesammelten Perlen mit beiden Händen vor die Säue. Letzte Textfetzen von Ideenreichtum schwimmen aufgedunsen an der Wasseroberfläche und werden leblos an die Schweinebucht gespült. Ein Leckerbissen für die gefrässigen Borstentiere.


Lüstern starre ich auf die gesättigten Biester und stelle mir vor, wie sie aufgespiesst über einem Feuer braten. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Schaumkronen bilden sich an den Mundwinkeln, deren Glanz im Abendlicht an Perlmutt erinnern.

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