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Unfluencer

  • Schmiedewurm
  • 8. Feb. 2019
  • 2 Min. Lesezeit

Hoch motiviert, mich selbst zu belohnen, mache ich mich auf den Weg ins Einkaufszentrum. Meine Kreditkarte sitz locker in der Tasche. Mit dem Handscanner bewaffnet schreite ich gezielt zur Beauty-Abteilung. Wie ein Revolverheld ziele ich auf Dinge, die ich nicht brauche, aber unbedingt besitzen möchte. Die erlegte Beute stapelt sich im Einkaufswagen.


Ich scanne mit meinem Blick die Regale, um das eine Produkt zu finden, das der Grund meines Einkaufs ist. Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf, den Tiegel der Creme zu öffnen und mich mit dem herrlichen Duft zu umhüllen und gleichzeitig meine trockene Haut zu beruhigen.

Doch was muss ich mit Schrecken erkennen: die Creme ist weg. Hilfesuchend wende ich mich an eine Verkäuferin, in der Hoffnung, dass sich mein ungutes Gefühl nicht in Panik manifestieren muss und es im Lager noch Vorrat hat. Als die Angestellte nonchalant meine Erwartungen mit dem kleinen Wort «Nein» zerschlug, wusste ich, dass mich mein Fluch als Unfluencer wieder heimgesucht hat. Erneut ein Produkt, das aus dem Sortiment genommen wurde, nachdem ich es liebevoll in meinen Alltag integriert habe und ich mir ein Leben ohne nicht mehr vorstellen konnte. Es zerreisst mir zwar nicht das Herz, aber die Haut, da ihr die Feuchtigkeit fehlt.


Ich möchte weinen und frage mich, ob die Tränen ausreichen, um meine Haut vor der drohenden Austrocknung zu bewahren. Ich erwäge, innerlich zu dehydrieren, damit ich äusserlich nicht wie Dörrobst aussehe. Ein neuer Gedanke drängt sich mir auf. Wie kann ich aus meinem Fluch, ein lukratives Geschäft machen? Mich bezahlen lassen, um den unausweichlichen Tod einer Marke nicht herbeizuführen, indem ich mich dafür interessiere? Würden sich die Firmen um mich prügeln oder versuchen, mich in irgendeinem Wald zu verschachern? Ich möchte mich wie eine erwachsene Mittdreissigerin verhalten und belasse es lediglich beim Schluchzen.


Ich sammle die Scherben meiner zerschmetterten Welt auf und lege sie zu den restlichen Einkäufen. Ich greife ins Regal und hole einen Ersatz. Auf dem Weg zur Kasse kaufe ich noch ein paar Latexhandschuhe, eine Schere, Leim und ein paar Zeitschriften. Man weiss ja nie, ob man nicht doch noch ein zweites Standbein aufbauen möchte.



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